Historie

Die Gründerzeit der Wittelsbachschule

Vor der Jahrhundertwende wurden in der Stadt Ludwigshafen ca. 5995 Schulkinder beschult. Durch die Eingemeindung der Ortsteile Mundenheim und Friesenheim und stieg die Anzahl der Schüler/innen sprunghaft an, sodass weiterer Schulraum benötigt wurde. Im Jahre 1901/1902 wurde deshalb die Gutenbergvolksschule, die später in die „Wittelsbachschule“ umbenannt wurde erbaut. [1]

Baugeschichtliches zur Wittelsbachschule

[...] „Unter der Mitwirkung des Architekten Burklin wurde das dreiflügelige dreigeschossige Hauptgebäude, das sich zur Wittelsbachstraße öffnet (heute Grundschule)im Baustil des Historismus geplant. Das neoromanisch inspirierte Gebäude aus ockergelben Backsteinen und Einfassungen aus rotem Sandstein ist mit Erkertürmchen, Einfassungen aus rotem Sandstein und Zinnen reich verziert.“ [2] Die Seitenflügel, die zur Wittelsbachstraße hin ausgerichtet sind, erinnern an mit seinen Rundfenstern an Kirchenbauten. Das Uhrentürmchen mit seinem verschiefertem, viereckigem Spitzhelmdach auf dem Dach des Mitteltraktes mahnte viele Jahrzehnte zur Pünktlichkeit. Unterhalb des Uhrentürmchens führt eine überwölbte Toreinfahrt auf den umschlossenen Schulhof zur Rückseite des Gebäudes. Das rückseitige Gelände wurde zunächst als Schulgarten und Sportplatz, später als großer Schulhof genutzt. Dies entspricht noch der heutigen Nutzung. Auf dem heute als Schulhof (angrenzend zur Bayernstraße) genutzten Gelände entstand 1903 eine Turnhalle im Baustil des Hauptgebäudes mit giebelständigem Satteldach. Der seitlich angebaute Turm wurde anlässlich des Erweiterungsbaus der Schule 1907/1908 an der Bayern/Rottstraße angefügt. Er stellt mit dem Torbogen eine Brücke zu den neuen angebauten Schulgebäuden her und ist dem Baustil der übrigen Gebäude angepasst.

„Das Hauptgebäude an der Wittelsbachstraße (heute Grundschule) wurde 1982 unter Denkmalschutz gestellt. Der Bau gilt als Prototyp der gründerzeitlich beeinflussten Schularchitektur um die Jahrhundertwende und drückt das zeittypische Repräsentationsbedürfnis öffentlicher Lehranstalten aus.“

Ansicht Bayernstraße (Hauptschulgebäude), Ansicht Wittelsbachstraße (Grundschulgebäude)

Die ersten Jahrzehnte der Wittelsbachschule

Die Wittelsbachschule wuchs durch die explosionsartige Entwicklung Ludwigshafens zur Industrie- und Arbeiterstadt. Die Schulkinder der Wittelsbachschule waren Zugezogene und Heimatlose, die keinem einheitlichen und bodenständigen Milieu entstammten. Die Quellenlage zu den ersten Jahrzehnten der Wittelsbachschule ist sehr dürftig. Sicher ist, dass sich im ursprünglichen Gebäude (heute Grundschule) die Knabenabteilung und im Gebäude der heutigen Hauptschule die Mädchenabteilung befanden. Beide Abteilungen hatten eine eigene Schulleitung. Für das Jahr 1910 sind in der Innenstadt Ludwigshafen 9934 Volksschüler belegt. Im Jahre 1920 sind es 10442 Volksschüler. Der 1. Weltkrieg brachte weitreichende Veränderungen mit sich. Die Wittelsbachdynastie wurde abgesetzt und der Freistaat Bayern ausgerufen. [3] „Die Lehrer wurden Staatsbeamte und die Stadtverwaltung hatte für den sächlichen Schulbedarf aufzukommen.“ [4]

Die ältesten Klassenfotos (1919/1920)

Die Zeit bis zum zweiten Weltkrieg

(Zeitzeugenberichte aus der Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule)

Irene Zercher, geborene Bayer wurde 1924 in der Wittelsbachschule eingeschult. Sie erzählt, dass sehr viele arme Kinder um die Wittelsbachschule gewohnt haben. So gab es Schulspeisungen für die armen Kinder, sie selbst habe nichts bekommen. Sie schreibt: „Wenn es dieses Essen gab[...]bekam ich regelrechten Brechreiz von dem Geruch.“ Sie schreibt weiter:

„Der Eingang zur Schule ging über den Hof in der Bayernstraße. Buben und Mädchen waren in getrennten Häusern untergebracht. In den Klassensälen waren die schrägen Pulte, oben eine Vertiefungsrille für Bleistifte und Griffel. Wir schrieben ja auf Tafeln. Rechts am Pult war eine Öffnung für ein Tintenfass. Der Hausmeister musste die Tintenfässer, wenn sie leer waren, immer auffüllen [...]. Die Lehrkraft saß auf einem Podest und hatte auch ein Stöckchen, mit dem auf die Hände der Kinder geschlagen wurde. Unterricht war von 8.00 Uhr bis 11.00 Uhr und von 14.00 bis 16.00 Uhr, mittwochmittags war frei.“

Frau Zercher berichtet des Weiteren: „Regelmäßig kam auch die „Laus-Gretel“ (Ärztin vom Gesundheitsamt), um nachzuschauen, ob die Kinder Läuse hatten, speziell wurden die Mädchen nachgesehen. Meistens hatten die Mädchen ja lange Haare bzw. Zöpfe. Es gab nur wenige, die schon einen „Bubikopf“ trugen.“ [5]

Herbert Leube wurde 1937 an der Wittelsbachschule eingeschult und erzählt über die Schule: „Im Gegensatz zu heute hatten wir ganz leichte Ranzen. Darin waren nur eine Schiefertafel, ein Griffelkasten, ein Lesebuch, ein dünnes Rechenbuch, eine Schwammdose, sowie ein Lappen. Die Rechnungen wurden auf der unlinierten Seite der Tafel gemacht, und auf der linierten Seite wurde geschrieben [...]

„Neben der Turnhalle saß in der Pause der Brezelmann, der 5 Pfennige Brezeln und für 10 Pfennige Plunderteilchen verkaufte.“

Bruno Rettelbach wurde 1930 eingeschult. Auch er erinnert sich noch gut an die Zeit an der Wittelsbachschule. „Im Schulalltag war strenge Disziplin angesagt. Gemeinsames Aufstehen, wenn der Lehrer das Klassenzimmer betrat und Melden zum „Austreten“ wurden verlangt. Ordnung auf und unter den Holzbänken wurde kontrolliert. Widerreden waren nicht erlaubt. Bei Widersetzlichkeiten gab es Handtatzen, Kopfnüsse, oder man wurde übers Knie gelegt. Der Rohrstock, in der Ecke, hinter dem Schrank war ein gefürchtetes „Möbelstück“. [6]

Bilder von Berthold Seßler und seiner Schwester (1927/1928)

Die schwerste Zeit der Wittelsbachschule (1946-1950)

1944 begannen die Fliegerangriffe auf Ludwigshafen. Auch die Wittelsbachschule getroffen und musste geschlossen werden. Im Mai 1945 wurde die Wittelsbachschule von den Amerikanern besetzt, später kamen die Franzosen hinzu . Der eigentliche Unterricht wurde zunächst verboten. Die Kinder und Frauen wurden zu Aufräumarbeiten herangezogen, da alle Männer zwischen 18 und 25 Jahren in Kriegsgefangenschaft waren. Die Wittelsbachschule war die einzige halbwegs unzerstörte Schule des Stadtteils.

Im Oktober 1945 wurde die Schule unter schwierigen Verhältnissen (nach einjähriger Pause) wieder geöffnet. Die Amerikaner unterstützten die Schule mit Carepaketen ,für die man sich anmelden musste. „Als Spender des Essens werden das Rote Kreuz der Schweiz sowie amerikanische Religionsgemeinschaften, die Mennoniten und die Quäker erwähnt. Diese veranstalteten in Amerika Sammlungen. Mit diesem Geld wurden Lebensmittel gekauft. Die Schüler der Wittelsbachschule wurden oft vermessen, gewogen und häufig für zu leicht empfunden. Durch Vermittlung des Roten Kreuzes wurden im Frühjahr 1946 dreihundert Kinder der Schule zu einem dreimonatigen Aufenthalt in die Schweiz geschickt. Die Schulspeisungen wurden ab September 1950 im Umfang stark reduziert und bis 1953 ganz eingestellt.“ [7]

Interessantes aus den Fünfzigern

„In den Fünfzigern normalisierte sich das Schulleben in der Wittelsbachschule.[...]Aus einer dritten Klasse wird 1953 eine Stärke von einundfünfzig Kindern gemeldet. [...] Die Trennung erfolgte damals nicht nach Grund- und Hauptschule, sondern es gab die Mädchenabteilung im jetzigen Hauptschultrakt und die Jungenabteilung im Grundschulgebäude mit jeweils eigenen Schulleitungen.

In den Zeiten des geteilten Vaterlandes hat man auch im Kleinen gerne geteilt und getrennt. Der große Schulhof wurde durch die große Abflussrinne in einen Mädchen- und Jungenhof getrennt. Diese Linie sollte von den Schülern nicht überschritten werden. Damit es keinen Vorwand gab, sich jenseits dieser Linie zu begeben, saß die Brezelfrau mit ihrem Korb genau auf der Mitte dieser Linie und verkaufte von dort aus Brötchen und Brezel.

Dann kam im Juni 1953 der Moment, wo die Trennungslinien nicht ehr zu halten waren. Der Mädchentrakt wurde umfassend saniert. Täglich mussten bis zu 1500 Schüler im Grundschultrakt unterrichtet werden. Heute bewegen sich in den gleichen Räumen ca. zweihundertfünfzig Kinder.“ [8]

[1] Vgl. Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002, S. 14.

[2] Christine Jacobsen-Zunker. Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002

[3] Vgl. Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002, S. 22.

[4] Ebd., S. 22

[5] Zechner: Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002, S.25.

[6] B. Rettelbach: Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002, S.29.

[7] Vgl.Chronik 100 Jahre Wittelsbachschule. Ludwigshafen am Rhein 2002, S.35-38..

[8] Ebd., S.39

Bildmaterial: Chronik 100 Jahre Wittlsbachschule: Leihgaben ehemaliger Schüler, Eltern und Lehrer, Stadtarchiv Ludwigshafen